Bilderbuch des Monats November
Freiheit … du große Wundertüte! (Sybille Hein)
Freiheit – was ist das eigentlich? Dieser Frage geht Sybille Hein in ihrem Bilderbuch nach, das angesichts der Weltlage nicht aktueller sein könnte. Bild und Wort eröffnen unterschiedliche Perspektiven und regen dazu an, selbst darüber nachzudenken, was Freiheit bedeutet:
„Freiheit spürst du in luftigen Höhen.“ Leicht scheint der Sprung vom 10 Meterbrett – aber nicht allen.
„Manchmal stellt Freiheit dich vor ziemlich komplizierte Probleme.“ Das Kind versinkt fast in einem Berg von Süßigkeiten.
„Viel zu häufig braucht Freiheit eine große Portion Mut.“ Die Flüchtlinge auf dem Schlauchboot scheinen unterschiedlich viel davon zu haben.
Eine zentrale Botschaft des Buches ist, dass Freiheit unendlich viele Gesichter hat: verträumte, zufriedene, verhüllte, verliebte, verschmitzte, entsetzte, entschlossene, zweifelnde… Besonders ausdrucksstark sind die kugelrunden Augen der Figuren, die mal geschlossen, mal weit aufgerissen Einblick gewähren in die Empfindung von Freiheit. Freiheit bedeutet auch, anders als alle anderen sein zu dürfen. Auf den ersten Blick zeigt das Bild dazu, dass anders ist, wer kein Kopftuch trägt. Auf den zweiten Blick aber entdeckt man: die eine ist barfuß, die nächste raucht Pfeife, zwei legen die Füße auf den Tisch usw. Das Buch bedient Klischees und bricht zugleich mit ihnen. Dazu tragen vor allen die Bilder bei, in denen immer ein bisschen Chaos herrscht, etwas aus den Fugen gerät.
Als Bilderbuch mit wenig Text in Großantiqua eignet es sich nicht nur zum Vorlesen, sondern auch als Erstlesebuch, das Kinder inhaltlich herausfordert und durch Ambivalenz und Mehrdeutigkeit Sinnbildungsprozesse anzuregen vermag. Im Unterricht könnten Kinder sich im literarischen Gespräch austauschen, in Korrespondenz zu den im Bilderbuch angebotenen Mustern eine eigene Seite zu „Freiheit“ gestalten oder einen Text zum Thema schreiben.
Bilderbuch des Monats November von Prof. Dr. Lis Schüler