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Selbstverständnis und Entstehung der Gesundheitspsychologie

von Prof. Dr. Ralf Schwarzer

Begriffsbestimmung

Die Gesundheitspsychologie hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte international und auch in Deutschland als eine Integrationsdisziplin innerhalb der Psychologie etabliert. Ihr Gegenstand liegt insbesondere in Verhalten, Kognition, Emotion und Motivation im Zusammenhang mit Gesundheit, Erkrankungen, gesundheitlichen Risiken und Ressourcen, Präventionsmaßnahmen und der Gesundheitsförderung. Im Bereich der Anwendung gibt es Überschneidungen mit Theorien und daraus abgeleiteten Interventionsmaßnahmen aus der Pädagogischen Psychologie, der Klinischen Psychologie und der Verhaltensmedizin. Ein Unterschied zu diesen anderen Anwendungsdisziplinen der Psychologie liegt darin, dass die Gesundheitspsychologie sich vor allem auf psychologische Grundlagen, insbesondere solche aus der Sozialpsychologie, stützt.

Zur Abgrenzung und um die Besonderheiten der Gesundheitspsychologie deutlicher zu machen, werden im Folgenden ihre Beziehungen zur Verhaltensmedizin und zur Gesundheitswissenschaft (Public Health) kurz dargestellt.

Die Verhaltensmedizin zeichnet sich durch ihre interdisziplinäre Ausrichtung aus, indem sie ein breites Feld abdeckt, das die Untersuchung von Krankheitsursachen, -prävention und -behandlung umfasst, wobei die Behandlungskonzepte vielfach auf der klinischen Verhaltenstherapie basieren.

Public Health wird allgemein definiert als eine interdisziplinäre Wissenschaft und Praxis, die darauf abzielt, Krankheiten zu verhüten, das Leben zu verlängern und das psychische sowie physische Wohlbefinden durch Maßnahmen auf Populationsebene zu fördern, wobei die Expertisen aus verschiedenen Bereichen wie der Epidemiologie, Soziologie, Sozialmedizin, Wirtschaftswissenschaften, Versorgungsforschung, Gesundheitssystemforschung, Politikwissenschaften, Psychologie, Pädagogik, Data Science, Anthropologie, Demographie u.v.m. zusammenfließen.

Im Gegensatz zur Verhaltensmedizin und Public Health positioniert sich die Gesundheitspsychologie als ein eigenständiges Fachgebiet innerhalb der Psychologie, das sich spezifisch mit den Entstehungsbedingungen und der Prävention von gesundheitlichen Störungen, mit Risikofaktoren sowie der Gesundheitsförderung und dem Ressourcenaufbau befasst. Dabei greift die Gesundheitspsychologie auf Erkenntnisse anderer psychologischer Disziplinen, vorwiegend Grundlagendisziplinen, zurück und legt einen besonderen Fokus auf protektive Faktoren für die Gesundheit.

Die Entstehung der Disziplin

Die Gesundheitspsychologie hat ihre internationale Entwicklungsphase bereits seit den 1970er Jahren durchlaufen und ist seither ein etabliertes Fachgebiet. Den deutschen Meilenstein markierte die Einführung der Gesundheitspsychologie als Wahlpflichtfach an der Freien Universität Berlin im Jahr 1988, was den Grundstein für die curriculare Entwicklung in Deutschland legte.

Gründung von Fachgesellschaften und Zeitschriften:

Innerhalb der American Psychological Association (APA) wurde 1978 eine Division of Health Psychology gegründet, die heute mehrere tausend Mitglieder zählt. An vielen U.S.-amerikanischen Universitäten gehört das Fach Health Psychology inzwischen zu den Standarddisziplinen und ist innerhalb der Departments of Psychology angesiedelt, manchmal in Kombination mit anderen Teildisziplinen (z.B. "Social and Health Psychology").

Die International Association for Applied Psychology (IAAP) richtete 1986 ihre Fachgruppe Health Psychology ein.

Ebenfalls 1986 wurde die European Health Psychology Society (EHPS) gegründet.

Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) hat 1992 die Fachgruppe Gesundheitspsychologie eingerichtet. Deren erste Tagung fand 1993 in Berlin statt.

Seit 1993 erscheint im Hogrefe Verlag die „Zeitschrift für Gesundheitspsychologie“, die 2017 in „European Journal of Health Psychology“ umbenannt wurde und seit dieser Zeit Englisch als Publikationssprache nutzt. Zu weiteren Zeitschriften in englischer Sprache gehören “Health Psychology” (1982ff); “Psychology and Health” (1987ff), “The Health Psychologist” Newsletter (1994ff), “Journal of Health Psychology” (1996ff), “Journal of Occupational Health Psychology” (1996ff), “British Journal of Health Psychology” (1996ff), “Applied Psychology: Health and Well-Being” (2008ff).

 

Literatur

 

Schwarzer, R. (1997). Gesundheitsposychologie: Ein Lehrbuch (2. überarb. und erw. Auflage). Hogrefe.

Schwarzer, R. (2004). Psychologie des Gesundheitsverhaltens. Einführung in die Gesundheitspsychologie (3. überarb. Auflage). Hogrefe.

Schwarzer, R. (2017, August 22-25). Geschichte der Gesundheitspsychologie [Keynote presentation]. 13. Kongress der Fachgruppe Gesundheitspsychologie, Siegen, Germany.

Letzte Aktualisierung Oktober 2024