Wie können die Ergebnisse aus zentralen Befragungen zur Verbesserung der Studiensituation genutzt werden?
17.12.2019
Alle vier Jahre finden an der Freien Universität Berlin zentral durchgeführte Studiengangs-Evaluationen statt. Anders als bei der Lehrevaluation werden die Studierenden hierbei nicht um die Bewertung einzelner Lehrveranstaltungen, sondern um eine Beurteilung des Studienangebots und der Studienbedingungen in ihrem Fach insgesamt gebeten. Zu jeder Befragung erstellt die Arbeitsstelle Lehr- und Studienqualität zwei Arten von Berichten: einen Gesamtbericht sowie Berichte für die Studiengänge, Fachbereiche und Zentralinstitute. Was unterscheidet diese Berichte und wie können diese für die Verbesserung von Studium und Lehre genutzt werden?
Der Gesamtbericht richtet sich an das Präsidium, an alle Personen an der Universität, die sich mit der Qualität von Studium und Lehre befassen, an die Studierenden sowie an die interessierte Öffentlichkeit. Dieser Bericht widmet sich den hochschulweiten Ergebnissen einer Befragung. Über den Vergleich mit den Ergebnissen vorhergehender Befragungen werden hochschulweite Trends deutlich. Es kann also beispielsweise die Frage beantwortet werden, ob sich die Studierbarkeit der Bachelor- oder Masterstudiengänge insgesamt verbessert hat. Diese Frage ist insbesondere dann relevant, wenn die Universität Maßnahmen zur Verbesserung der Studierbarkeit durchgeführt hat, wie beispielsweise Überarbeitungen der Studien- oder Prüfungsordnungen. Der Gesamtbericht trifft keine Aussagen über einzelne Studiengänge, es werden aber Ergebnisse für Fächergruppen vergleichend dargestellt. Der Bericht zeigt also, ob Studierende einer Fächergruppe, beispielsweise der Sozialwissenschaften, bestimmte Aspekte (z.B. die Studierbarkeit, die Praxisorientierung oder die Betreuung und Unterstützung durch Lehrende) anders bewerten als Studierende aus den anderen beiden Fächergruppen, also den Naturwissenschaften und den Geistes- und Kulturwissenschaften. Der Gesamtbericht verfolgt weiterhin das Ziel, Akteure des Qualitätsmanagements und die Öffentlichkeit über Konzepte der Qualität von Studium und Lehre und aktuelle Fragen und Themen aus dem Bereich des Qualitätsmanagements zu informieren.
Die Ergebnisse des Gesamtberichts werden im Präsidium, in der Runde der Studiendekane und Studiendekaninnen sowie im akademischen Senat vorgestellt und im Hinblick auf abzuleitende Maßnahmen diskutiert. Ein Beispiel für eine hochschulweite Maßnahme, die aus Ergebnissen zentraler Befragungen abgeleitet wurde, ist die Einführung eines Mentoring-Programms zur besseren Unterstützung von Studierenden in der Studieneingangsphase.
Die Studiengangsberichte richten sich an die Verantwortlichen in den Fachbereichen und Zentralinstituten. Dies sind die Dekanate, die Dekanatsreferent*innen, die Studiengangsbeauftragten sowie dezentrale Gremien der Qualitätsentwicklung (der Fachbereichs- oder Institutsrat, der Prüfungsausschuss und die Ausbildungskommission).
In einem Studiengangsbericht werden die Ergebnisse für einen Studiengang in tabellarischer Form dargestellt. Erstellt werden Studiengangsberichte für alle Studiengänge, für die sieben oder mehr studentische Urteile vorliegen. Damit die Verantwortlichen in den Fachbereichen und Zentralinstituten ablesen können, in welchen Bereichen die relativen Stärken und Schwächen des jeweiligen Studiengangs liegen, werden für die Interpretation der Ergebnisse Vergleichswerte zur Verfügung gestellt. Als Vergleichswerte dienen die durchschnittlichen Ergebnisse der anderen Studiengänge des Fachbereichs. Für Zentralinstitute und Fachbereiche, die nur einen Studiengang anbieten, wird als Vergleichswert ersatzweise der Mittelwert der Fächergruppe genutzt. Der Bericht beinhaltet eine Lese- und Interpretationshilfe, zudem werden die Ergebnisse grafisch aufbereitet. Abbildung 1 zeigt eine (fiktive) grafische Ergebnisdarstellung für einen Studiengang (blaue Linie) im Vergleich zum Fachbereich (grüne Linie). Signifikante Unterschiede sind hier mit einem Sternchen (*) markiert.
Wie wurden die Merkmale erfasst? Betreuung und Unterstützung durch Lehrende: 6 Items, Beispielitem: Wie zufrieden sind Sie mit der Unterstützung und Betreuung durch die Lehrenden Ihres Masterstudiengangs hinsichtlich folgender Aspekte: Feedback zu individuellen Studien- und Prüfungsleistungen“, Antwortskalavon 1 = „sehr unzufrieden“ bis 6 = „sehr zufrieden“ Vermittlung von Forschungsmethoden und -ethos des Fachs: 3 Items, Beispielitem: „In meinem Studiengang nimmt die Vermittlung von Forschungsmethoden einen großen Stellenwert ein.“ Antwortskala von 1 = „trifft nicht zu“ bis 6 = „trifft zu“ |
In dem dargestellten Beispiel haben die Studierenden Aufbau und Struktur des Studiengangs signifikant negativer eingeschätzt als in den anderen Studiengängen des Fachbereichs. Die Betreuung und Unterstützung durch die Lehrenden wurde hingegen signifikant besser bewertet als im Fachbereichsdurchschnitt. Weiterhin hat die Vermittlung von Forschungsmethoden in diesem Studiengang einen höheren Stellenwert als in den anderen Studiengängen des Fachbereichs. Vermutlich handelt es sich um einen stärker forschungsorientierten Masterstudiengang.
Ein weiterer Befund aus Abbildung 1 ist, dass die Studierenden die beruflichen Perspektiven für Absolvent*innen des Studiengangs signifikant ungünstiger einschätzen als im Fachbereichsdurchschnitt. Möglicherweise ist ihre Studienzufriedenheit aus diesem Grund etwas geringer und ihre Abbruchneigung signifikant erhöht. Inwiefern zwischen diesen Ergebnissen und den unterdurchschnittlichen Bewertungen von Aufbau und Struktur ein Zusammenhang besteht, sollte bei der Interpretation der Ergebnisse im Fachbereich diskutiert werden. Die konkreten Verbesserungsvorschläge der Studierenden aus den Freitextfragen der Befragung können hierbei sowohl als Interpretationshilfe genutzt werden als auch Hinweise auf Verbesserungsmöglichkeiten geben. Weiterhin sollten auch die Ergebnisse aus den Absolventenstudien und der Exmatrikuliertenbefragung zur Erklärung der Befunde hinzugezogen werden. Ergebnisse der Absolventenstudien können aufzeigen, wie der Berufsübergang bisherigen Studierendenkohorten gelungen ist und in welchen Bereichen sie auf dem Arbeitsmarkt untergekommen sind. Weiterhin wäre interessant zu prüfen, ob die von Studienabbrecher*innen und Studienfachwechsler*innen angegebenen Motive dafürsprechen, dass Studierende falsche Erwartungen in Bezug auf die Studieninhalte hatten. In diesem Fall wäre eine bessere Information der Studieninteressierten ein Ansatzpunkt. Sollten fehlende berufliche Perspektiven die erhöhte Abbruchneigung erklären, so wäre zu überlegen, wie der berufliche Nutzen des Studiums sowie berufliche Optionen – auch im wissenschaftlichen Bereich – im Studium deutlicher herausgestellt werden können, beispielsweise indem Referent*innen aus verschiedenen Praxisfeldern eingeladen werden.
Die Ergebnisse der zentralen Befragungen bilden die Bewertung der Studienangebote aus der Sicht der Nutzer*innen ab und stellen hiermit für die Weiterentwicklung von Studiengängen eine wichtige Datenquelle dar. Bei der Interpretation der Ergebnisse und ggfs. der Ableitung von Maßnahmen sollten aber auch weitere Daten Berücksichtigung finden, die zum Studiengang vorliegen, z.B. die Ergebnisse der Lehrevaluation, Ergebnisse aus Absolventenstudien, die Anzahl der Studienabbrecher*innen, die durchschnittliche Studiendauer usw.
Das dargestellte Verfahren der Ergebnisrückmeldung mit Hilfe von Vergleichswerten wird z.B. in der Schul- und Unterrichtsevaluation genutzt und wurde von der Arbeitsstelle Lehr- und Studienqualität für die Studiengangsevaluation adaptiert. Es ist Teil des Qualitätsmanagementsystems der Freien Universität Berlin und in den Prozessbeschreibungen dokumentiert. Uns ist nicht bekannt, dass an anderen Hochschulen vergleichbare Verfahren der Rückmeldung von Ergebnissen aus Studiengangsevaluationen existieren und wir hoffen, dass diese auch aus der Sicht der Nutzer*innen in den Fachbereichen einen Mehrwert für die Weiterentwicklung der Studiengänge und die Verbesserung der Studienbedingungen bieten.