Bin ich gut genug für den Master? Zur Rolle von Noten und Leistungsselbsteinschätzungen beim Übergang vom Bachelor- in ein Masterstudium
17.12.2019
Aus der Bildungsforschung ist bekannt, dass die Erfolgserwartung eine wesentliche Rolle für die Entscheidung von Personen spielt, einen bestimmten Bildungsweg tatsächlich zu verfolgen. Dies trifft auch für den Übergang vom Bachelor- ins Masterstudium zu. Aber warum haben einige Studierende hohe Erwartungen an einen erfolgreichen Abschluss des Masterstudiums, während andere nur geringe Erfolgserwartungen aufweisen? Sind hier tatsächlich nur die Noten ausschlaggebend oder spielen auch andere Faktoren eine Rolle? Diesen Fragen gehen wir anhand von Daten der im Jahr 2015 an der Freien Universität Berlin durchgeführten Bachelorbefragung nach.
Der Übergang in ein Masterstudium oder in das Berufsleben stellt für Studierende eine wichtige Entscheidung am Ende des Bachelorstudiums dar. Für die Erklärung von Bildungsentscheidungen wird in der Bildungsforschung zumeist auf soziologische und psychologische Wert-Erwartungsmodelle zurückgegriffen. Demnach entscheiden sich Personen für diejenige Option, die unter Abwägung der subjektiv erwarteten (finanziellen) Kosten und Erträge (z.B. Einkommen, Status) sowie der subjektiven Erfolgserwartung am vielversprechendsten erscheint. Analysen im Rahmen der Bachelorbefragung 2015 der Freien Universität Berlin bestätigen dieses theoretische Modell (vgl. Bergann et al., 2019). So streben Bachelorstudieren-de eher dann ein Masterstudium an, wenn sie sowohl hohe Erwartungen an einen erfolgreichen Abschluss des Studiums haben als auch davon ausgehen, dass das Masterstudium mit relativ geringen finanziellen Kosten und hohen Erträgen (z.B. Einkommen, Karrierechancen) verbunden ist. Die Erfolgserwartung scheint dabei im Vergleich am bedeutsamsten für die Entscheidung für oder gegen ein Masterstudium zu sein. Doch welche Faktoren erklären Unterschiede in der Erfolgserwartung?
In Anlehnung an psychologische Wert-Erwartungsmodelle haben wir ein Erklärungsmodell der Erfolgserwartung entwickelt und geprüft (ausführlicher: vgl. Bergann et al., 2019). Es wird angenommen, dass die Erfolgserwartung unter anderem durch Leistungsselbsteinschätzungen der Studierenden beeinflusst ist. Studierende haben demnach dann eine hohe Erwartung, ein Masterstudium erfolgreich abzuschließen, wenn sie ihre Leistungen als ausreichend erachten. Diese Leistungsselbsteinschätzungen sind erwartungsgemäß in hohem Maße von den bisherigen Noten abhängig, wobei sowohl die Note im Bachelorstudium als auch die Abiturnote eine Rolle spielen können. Aber auch sogenannte sozialstrukturelle Merkmale, wie das Geschlecht oder das Bildungsniveau der Eltern, stehen in Zusammenhang mit Noten und Leistungsselbsteinschätzungen. So zeigen Studien, dass sich Frauen im Vergleich zu Männern in bestimmten Domänen auch bei gleichen Noten als weniger kompetent einschätzen.
Wie in Abbildung 2 dargestellt, haben wir neben allgemeinen (fachlichen) Leistungsselbsteinschätzungen auch Selbsteinschätzungen in Bezug auf das Arbeiten mit wissenschaftlichen Texten berücksichtigt. Es ist davon auszugehen, dass Studierende im Bachelorstudium auch in diesem Bereich spezifische Leistungserfahrungen machen, die ihre Entscheidung für oder gegen ein Masterstudium beeinflussen. Denn das Masterstudium ist zumeist forschungsorientierter als das Bachelorstudium.
In schrittweisen Regressionsanalysen wurden die theoretischen Annahmen geprüft. Erwartungsgemäß zeigte sich erstens, dass Studierende mit besseren Noten im Abiturzeugnis und im Bachelorstudium eine höhere Erwartung hatten, ein Masterstudium erfolgreich abschließen zu können, als Studierende mit schlechteren Noten. Interessanterweise hatten Frauen und Studierende, deren beide Elternteile nicht studiert hatten, aber auch bei gleichen Noten geringere Erfolgserwartungen als Männer und Studierende mit akademischem Bildungshintergrund. Zweitens zeigte sich, dass Leistungsselbsteinschätzungen über Noten hinaus eine wichtige Rolle für die Entstehung von Unterschieden in der Erfolgserwartung spielen. Dies trifft insbesondere auf Leistungsselbsteinschätzungen in Bezug auf das Arbeiten mit wissenschaftlichen Texten zu. Bachelorstudierende, die ihre Fähigkeiten geringer einschätzen, wissenschaftliche Texte zu verstehen, die Kernaussagen aus Texten herauszuarbeiten und sich wissenschaftlich auszudrücken, haben bei gleichen Studienleistungen eine geringere Erwartung, ein Masterstudium erfolgreich abzuschließen. Dies trifft insbesondere auf Frauen und Studierende aus nichtakademischen Elternhäusern zu, wie die Ergebnisse zeigen. Möglicherweise spielen hier geschlechts- bzw. herkunftsspezifische Interpretationsmuster eine Rolle.
Leistungsselbsteinschätzungen und Erfolgserwartungen sind demnach bedeutsam für den Bachelor-Master-Übergang. Es stellt sich deshalb die Frage, wie Studierende im Bachelorstudium bei der Entwicklung realistischer Selbsteinschätzungen hinsichtlich ihrer Kompetenzen, wissenschaftliche Texte zu rezipieren und zu produzieren, unterstützt werden können. Neben der Leistungsrückmeldung über Noten ist ein differenziertes Feedback ein Ansatzpunkt, um die Kompetenzentwicklung wie auch die Selbsteinschätzung im Bereich des wissenschaftlichen Schreibens zu adressieren. Eine Möglichkeit, individuelle Stärken und Schwächen bei der Produktion wissenschaftlicher Texte differenziert zurückzumelden, wäre ein formatives Feedback im idealtypischen Prozess der Erstellung einer wissenschaftlichen Haus- oder Abschlussarbeit. Aber auch die Förderung des Textverständnisses und das Einüben von Lese-techniken über klare Lektüreaufträge und die Formulierung von Lernzielen stellen Möglichkeiten dar, Kompetenzen im Bereich der Textverarbeitung von Studierenden zu adressieren.
Weiterführende Informationen zur Bachelorbefragung der Arbeitsstelle Lehr- und Studienqualität finden Sie hier. Den unten genannten Artikel finden Sie hier.
Bergann, S., Blüthmann, I., Neugebauer, M. & Watermann, R. (2019). Welche Rolle spielen Leistungsselbsteinschätzungen und Erfolgserwartungen für die Absicht, ein Masterstudium aufzunehmen?. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 22(4), 967-988.