Springe direkt zu Inhalt

Aus dem Bereich Evaluation: Studieren in Zeiten der anhaltenden Pandemie – wie bewerteten Masterstudierende das digitale Wintersemester 2020/2021?

01.12.2021

Wird das digitale Studium im zweiten Digitalsemester besser bewertet als im ersten? Die Ergebnisse der Befragung der Masterstudierenden 2021 zeigen, dass die digitale Lehre für Studierende auch im zweiten Digitalsemester eine Herausforderung darstellte und sich im Vergleich mit Studien aus dem ersten Digitalsemester nur geringfügige Veränderungen in den Einschätzungen beobachten lassen. Zwar begrüßten die Studierenden weiterhin die Flexibilität des digitalen Studiums. Trotzdem führten Schwierigkeiten mit der Selbstorganisation, fehlende zeitliche Kapazitäten sowie zum Teil auch fehlende technische und räumliche Voraussetzungen der Studierenden zu weiteren pandemiebedingten Verzögerungen im Studienverlauf. Auch wurde der fehlende Austausch mit Lehrenden und anderen Studierenden weiterhin von vielen beklagt.

Sowohl Lehrende als auch Studierende stellte das erste digitale Sommersemester 2020 vor große Herausforderungen. Dies zeigen die Untersuchung „Studieren in Zeiten der Corona Pandemie“ des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW; Lörz et al., 2020) ebenso wie eine Befragung an der Freien Universität Berlin im ersten Digitalsemester (FU; Reinhardt, 2020). Die Studierenden nannten insbesondere folgende Schwierigkeiten: sie können zuhause nicht ungestört arbeiten und ihnen fehlt der soziale Austausch im Rahmen digitaler Lehr-Lernformate.

Doch wie haben die Studierenden das zweite Digitalsemester im Wintersemester 2020/21 erlebt? Mit welchen Problemen waren sie konfrontiert und welche Vorteile haben sie ggf. wahrgenommen? Lassen sich Hinweise auf Veränderungen in den Einschätzungen im Vergleich mit dem ersten Digitalsemester identifizieren? Diesen Fragen sind wir mit der Masterbefragung im Sommersemester 2021 nachgegangen, an der sich etwa ein Drittel der Studierenden in konsekutiven Masterstudiengängen der Freien Universität Berlin beteiligt haben.

Um Vergleiche mit den beiden Studien aus dem ersten Digitalsemester zu ermöglichen, wurden in der Masterbefragung identische bzw. vergleichbare Items genutzt. Ein direkter Vergleich ist dennoch nur bedingt möglich, da sowohl in der DZHW-Studie als auch in der FU-internen Befragung im ersten Digitalsemester Studierende beider Abschlussarten befragt wurden (Bachelor/Master), während sich die aktuellen Ergebnisse nur auf Masterstudierende beziehen. In der nachfolgenden Ergebnisdarstellung wurden, analog zur DZHW-Studie und der FU-internen Befragung, jeweils die prozentualen Häufigkeiten aus zwei positiven Antwortkategorien zusammengefasst. So werden bei 6-stufigen Antwortskalen, z.B. von 1 = „trifft gar nicht zu“ bis 6 = „trifft völlig zu“, die prozentualen Häufigkeiten der Antwortoptionen 5-6 zusammenfassend dargestellt.

Wie bewerteten die Studierenden im WS 2020/21 ihre technischen Voraussetzungen und häuslichen Rahmenbedingungen für die digitale Lehre im Vergleich zum ersten Digitalsemester?

In Bezug auf die technischen Voraussetzungen für das Arbeiten von zuhause zeichnen die Einschätzungen der Masterstudierenden der Freien Universität Berlin im zweiten Digitalsemester ein ähnliches Bild wie die Befragungen im ersten Digitalsemester. Fast jede/r fünfte Befragungsteilnehmer:in (16,2%) gab an, dass die eigene Internetverbindung für viele Formen digitaler Lehre nicht ausreichend leistungsstark ist. Zudem gab etwa jede/r Zehnte (11,5%) an, dass die eigene technische Ausstattung nicht ausreichend sei (vgl. Abb. 1).

Für das erste Digitalsemester kamen sowohl die bundesweite Studie „Studieren in Zeiten der Corona-Pandemie“ des DZHW als auch die FU-interne Studierendenbefragung im Sommersemester 2020 zu dem Ergebnis, dass jede/r fünfte Studierende zuhause keine ausreichende Internetverbindung für die Teilnahme an der digitalen Lehre hatte (22% bzw. 21%). Etwa jede/r Zehnte verfügte zudem nicht über einen geeigneten Computer bzw. die geeignete technische Ausstattung (12%/13% bzw. 16%) (Lörz et al. 2020; Reinhardt, 2020).


Abb. 1: Prozentuale Verteilung für Items zu technischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen

Rund ein Drittel der Befragten an der FU konnte nach eigenen Angaben auch im zweiten Digitalsemester zuhause nicht ungestört arbeiten (33.9%; vgl. Abb. 1). Dies entspricht dem Anteil, der für dieses Item in der FU-internen Befragung im ersten Digitalsemester ermittelt wurde (33%) (Reinhardt, 2020). In der Befragung des DZHW hatten 20% der Befragten angegeben, dass ihre Wohnsituation für viele Formen digitaler Lehre eher nicht bzw. nicht geeignet ist (Lörz et al. 2020).

Wie bewerteten die Studierenden die digitalen Lehr-Lernformate im WS 2020/21 im Vergleich zum ersten Digitalsemester?

Die digitale Lehre wird von den Studierenden der Freien Universität Berlin auch im zweiten Digitalsemester ambivalent beurteilt (vgl. Abb. 2). So waren zwar fast zwei Drittel der befragten Masterstudierenden (62,2%) der Meinung, durch die digitale Lehre zeitlich flexibler zu sein, was in etwa dem Anteil in der DZHW-Studie im ersten Digitalsemester entspricht (66%; Lörz et al. 2020). Jedoch stimmten nur 16,7% der Aussage zu, dass digitale Lehre zu einem effizienteren Studium führt.


Abb. 2: Prozentuale Verteilung für Items zur zeitlichen Flexibilisierung


Dies wird auch an den Antworten der Masterstudierenden auf die Frage deutlich, ob sie im Digitalsemester alle vorgesehenen Lehrveranstaltungen besucht haben. Ein Drittel der an der FU befragten Masterstudierenden (34,2%) hatte im Wintersemester 2020/2021 nach eigenen Angaben nicht alle Lehrveranstaltungen besucht, die er/sie im Präsenzstudium absolviert hätte. Dieser Anteil ist im Vergleich mit der Befragung im Sommersemester 2020 an der Freien Universität Berlin (43%) etwas zurückgegangen (Reinhardt, 2020). Als Gründe hierfür wurden sowohl im ersten als auch im zweiten Digitalsemester am häufigsten fehlende zeitliche Kapazitäten (49% bzw. 42.8%) und Schwierigkeiten mit dem selbstorganisierten Lernen (44% bzw. 40.7%) angeführt (Reinhardt, 2020). Beide Aspekte wurden in der aktuellen Befragung aber etwas seltener genannt.

Fast zwei Drittel der Studierenden (63,7%) gaben an, dass sich ihr Studienabschluss durch die Pandemie verzögern wird. Dieser Anteil lag in der Studie des DZHW im Sommersemester 2020 bei 47% (Lörz et al. 2020) und ist vermutlich auch bundesweit aufgrund der anhaltenden Pandemiesituation in den darauffolgenden Semestern weiter angestiegen.

Ein wesentliches Ergebnis der Studie des DZHW sowie der FU-internen Befragung im ersten Digitalsemester war zudem, dass vor allem die sozialen Kontakte aus Sicht der Studierenden unter der Umstellung vom Präsenz- auf den digitalen Lehrbetrieb gelitten haben. Fast 80 Prozent der Studierenden in der DZHW-Studie bzw. 63% der Studierenden in der FU-internen Studie gaben an, dass ihnen der persönliche Austausch mit anderen Studierenden fehlte (Lörz et al. 2020; Reinhardt, 2020).

Diese Einschätzung spiegelt sich auch in den Antworten der Masterstudierenden bezogen auf das zweite Digitalsemester wider (vgl. Abb. 3). Lediglich 5,6% stimmten der Aussage zu, dass in digitalen Lehrformaten der Austausch mit Studierenden genauso gut möglich ist wie im persönlichen Kontakt. Jede/r Zehnte (12,8%) gab an, dass der Austausch mit Lehrenden genauso gut möglich ist. Für 81,3% bzw. 59,9% treffen diese Aussagen hingegen nicht zu. Mehr als die Hälfte ist zudem nicht der Meinung, dass sich in digitalen Lehrformaten Fragen genauso gut klären lassen wie im persönlichen Kontakt (57,5%).


Abb. 3: Prozentuale Verteilung für Items zu sozialem Kontakt und Austausch

Fazit

Im Vergleich mit dem ersten Digitalsemester haben sich die Einschätzungen der Studierenden zur digitalen Lehre also nur wenig verändert. Insbesondere in Bezug auf den Aspekt des fehlenden sozialen Austauschs, der im ersten Digitalsemester von den Studierenden als großes Problem artikuliert wurde, hätte man erwarten können, dass es gelingt, mit veränderten Lehrformaten zu positiveren Urteilen beizutragen. Allerdings ist der digitale Austausch wiederum von den technischen, räumlichen und persönlichen Voraussetzungen für die digitale Lehre abhängig, die über die Zeit erwartungsgemäß wenig veränderlich sind. Nicht erfasst wurde mit der Masterbefragung, wie die Studierenden die Umsetzung der digitalen Lehrformate bewerten. Möglicherweise wären hier stärkere Veränderungen im Vergleich zum ersten Digitalsemester abzulesen.

Literatur:

Lörz, M., Marczuk, A., Zimmer, L., Multrus, F. & Buchholz, S. (2020). Studierenden unter Corona-Bedingungen: Studierende bewerten das erste Digitalsemester. (DZHW Brief 5|2020). Hannover: DZHW. https://doi.org/10.34878/2020.05.dzhw_brief

Reinhardt, J. (2020). Befragung der Studierenden und Lehrenden im digitalen Sommersemester 2020. (Unveröffentlichter Ergebnisbericht). Berlin: Freie Universität Berlin.