Dr. Hannah Klusmann
Zur Person
Dr. Hannah Klusmann ist Wissenschaftlerin im für frauenspezifische und reproduktive psychische Gesundheit. Von 2018 bis 2023 promovierte Sie zum Thema „Der Einfluss des Menstruationszyklus auf depressive Symptome und Stress“. In Ihrer aktuellen Forschung befasst sie sich mit psychischer Gesundheit im Zusammenhang mit dem Menstruationszyklus, Schwangerschaft, Menopause und Pubertät. Sie ist derzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Klinisch-psychologische Interventionen an der Freien Universität Berlin. Darüber hinaus absolviert sie derzeit die Ausbildung zur psychologischen Psychotherapeutin.
Abstract der Dissertation:
Hintergrund: Das Risiko, eine depressive Störung zu entwickeln, ist für Frauen doppelt so hoch wie für Männer. Dieser Geschlechtsunterschied beginnt in der Pubertät und endet mit der Menopause und umfasst damit einem Zeitraum, in dem die meisten Frauen einen Menstruationszyklus haben. Dies deutet darauf hin, dass der Menstruationszyklus und fluktuierende Sexualhormone zur Entwicklung depressiver Störungen beitragen könnten. Sexualhormone wiederum stehen in enger Wechselwirkung mit einem der beiden wichtigsten physiologischen Stressregulatoren, der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HHNA). Daher ist die Interaktion zwischen allen drei Einheiten (Menstruationszyklus, Depression und Stressmarkern) naheliegend und Gegenstand dieser Dissertation.
Methoden: Zunächst wurde die Interaktion zwischen Menstruationszyklus und depressiven Symptomen beleuchtet. Dabei wurde bei Teilnehmerinnen mit und ohne depressive Störung untersucht, ob und wie sich depressive Symptome über den Menstruationszyklus hinweg verändern (Studie 1). Zusammhängend wurde untersucht, ob Zyklusunregelmäßigkeiten mit depressiven Symptomen zusammenhängen, insbesondere Unregelmäßigkeiten bezüglich Zykluslänge (Studie 2) und Anovulation (Studie 3). Dies wurde in mehreren Stichproben (Erwachsene und Jugendliche) durch longitudinale, Smartphone-gestützte Ambulatory Assessment Studien untersucht. Darüber hinaus wurden mögliche Konzentrationsunterschiede von biologischer Stressmarkern zwischen Zyklusphasen untersucht. Dabei wurden in zwei Meta-Analysen (Studie 4 und 5) Cortisol als Marker für die basale Aktivität der HHNA (Studie 4) und deren Reaktivität auf akute Stressoren (Studie 5) zwischen den Zyklusphasen verglichen. Schließlich wurde subjektiver Stress als Moderator des Zusammenhangs zwischen Sexualhormonschwankungen und Symptomschwankungen in einer Stichprobe peripubertärer Teilnehmerinnen untersucht. Dafür wurden wöchentlich Stress, depressive Symptome und Hormonkonzentrationen gemessen (Studie 6).
Ergebnisse: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass depressive Symptome bei einer Subgruppe von hormonsensitiven Personen im Menstruationszyklusverlauf schwanken. Hierbei gibt interindividuelle Unterschiede in Schwankungsintensität und Schwankungsmustern (Verstärkte Symptome perimenstruell oder in der Mitte des Zyklus, Studie 1). Diese zyklusbedingten Schwankungen unterschieden sich auch zwischen den einzelnen depressiven Symptomen, was die Bedeutung eines symptomspezifischen Ansatzes unterstreicht (Studie 1-3, 6). Darüber hinaus wurden bei unregelmäßigen Menstruationszyklen in Bezug auf Zykluslänge (Studie 2) und Anovulation (Studie 3) höhere depressive Symptome beobachtet. Bei der meta-analytischen Untersuchung von Phasenunterschieden bei biologischen Stressmarkern ergaben sich kleine Effekte, die höhere basale Cortisolkonzentrationen (Studie 4) und geringere Cortisolreaktivität (Studie 5) in der Follikelphase im Vergleich zur Lutealphase zeigen. Darüber hinaus moderierte subjektiver Stress die Richtung des Zusammenhangs zwischen Hormonschwankungen und depressiven Symptomen (Studie 6). Insbesondere wurden bei hohem Stress Hormonanstiege mit einer Symptomverschlechterung in Verbindung gebracht, während bei niedrigem Stress Hormonabfälle mit einer Symptomverschlechterung in Verbindung gebracht wurden.
Diskussion: In dieser Dissertation wurden sechs miteinander verbundener Studien vorgestellt, die zeigten, dass Hormonschwankungen während des Menstruationszyklus mit Stress und depressiven Symptomen zusammenhängen. Zu den möglichen biologischen Erklärungen dafür gehört eine unterschiedliche Sensitivität von GABAA-Rezeptoren gegenüber des Progesteronmetabolits Allopregnanolon, was jedoch in zukünftigen Studien vertieft untersucht werden muss. Für zukünftige Forschung sind die Verbesserung von Screening-Instrumenten für hormonsensitive Personen und die Entwicklung von Behandlungsmöglichkeiten für die prämenstruelle Exacerbation von Depressionen essentiell. Mögliche Limitationen der Generalisierbarkeit der Ergebnisse entstehen, da in den Primärstudien nur ein Zyklus pro Person bei relativ kleinen Stichproben untersucht wurde. Dies wurde durch sehr häufige Messzeitpunkte während des gesamten Zyklus und Meta-analysen zur Erhöhung der statistischen Power kompensiert. Zu den weiteren Stärken dieser Dissertation gehören die Vielfalt der untersuchten Altersgruppen, Stichproben aus mehreren Ländern und ein multimethodischer Ansatz in den sechs Studien, einschließlich Primärstudien mit biologischen Markern und psychologischen Erhebungen, Meta-Analysen und Leitlinien für künftige Studien. Darüber hinaus wurden die Studien präregistriert, die Analyseskripte offen zugänglich gemacht und bestehenden Leitlinien eingehalten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Menstruationszyklus und die Schwankungen der Sexualhormone, sowie ihr Zusammenhang mit Stress, in zukünftiger Depressionsforschung unbedingt berücksichtigt werden müssen. Die Identifizierung frauenspezifischer Risikofaktoren für Depressionen ist von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung individualisierter und wirksamerer Behandlungsmöglichkeiten und für ein verbessertes Verständnis stressbedingter psychischer Störungen.
Zugehörige Artikel:
Klusmann, H., Brose, A., Schulze, L., Engel, S., Laufer, S., Bücklein, E., Knaevelsrud, C., & Schumacher, S. (under review). Menstrual cycle related depressive symptoms and their diurnal fluctuations – an ambulatory assessment study
Klusmann, H., Eisenlohr-Moul, T., Baresich, K., Schmalenberger, K.M., Girdler, S. & Andersen, E. (2023). Analyzing the Atypical – Methods for studying irregular menstrual cycles in adolescents and adults. Psychoneuroendocrinology.
Klusmann, H., Kapp, C., Engel, S., Laufer, S., Schumacher, T., Bücklein, E., Knaevelsrud, C., & Schumacher, S. (2023). Higher depressive symptoms in irregular menstrual cycles - converging evidence from cross-sectional and prospective assessments. Psychopathology.
Klusmann, H.*, Luecking, N.*, Engel, S., Blecker, M.K., Knaevelsrud, C. & Schumacher, S. (2023). Menstrual cycle-related changes in HPA axis reactivity to acute psychosocial and physiological stressors – A systematic review and meta-analysis of longitudinal studies. Neuroscience & Biobehavioral Reviews 150, 105212. *geteilte Erstautorinnenschaft
Andersen, E.*, Klusmann, H.*, Eisenlohr-Moul, T., Baresich, K. & Girdler, S. (2023). Life stress influences the relationship between sex hormone fluctuation and affective symptoms in peripubertal female adolescents. Development and Psychopathology. *geteilte Erstautorinnenschaft
Klusmann, H., Schulze, L., Engel, S., Bücklein, E., Daehn, D., Fiacco, S., ... & Schumacher, S. (2022). HPA axis activity across the menstrual cycle-a systematic review and meta-analysis of longitudinal studies. Frontiers in Neuroendocrinology.