SNF-Projekt Tagesschule und Schulerfolg? EduCare-TaSe-Studie
Schweizerischer Nationalfonds (SNF)
SNF Nr. 100013-143797/1
Gefördert durch den Schweizerischen Nationalfonds
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Prof. Dr. Marianne Schüpbach
Der Einfluss der sozialen Herkunft auf den Schulerfolg konnte in vielen Untersuchungen nachgewiesen werden. Insbesondere bei Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund und mit niedrigem sozioökonomischem Status besteht ein erhöhtes Risiko bezüglich geringem Schulerfolg oder gar Schulversagen im Schweizer Bildungssystem. Deshalb werden diese Schülerinnen und Schüler oft als Risikogruppe bezeichnet. Verbreitet erhofft man sich durch die Einführung von Tagesschulen einerseits die Förderung von kognitiven und sozialen Kompetenzen aller Schülerinnen und Schüler und andererseits eine kompensatorische Wirkung in Bezug auf die Vermittlung von kulturellem und sozialem Kapital bei Kindern aus der Risikogruppe und somit die Einlösung der Forderung nach mehr Bildungsgerechtigkeit. Ob Tagesschulen diesen Ansprüchen gerecht werden können, wurde bezüglich der kindlichen Entwicklung im Allgemeinen und spezifisch für Risikokinder im deutschsprachigen Raum kaum sowie international wenig untersucht. Nebst den Wirkungen von ganztägiger Bildung und Betreuung bei Kindern im Schulalter wurden zudem auch deren Nutzung und die Zusammensetzung der Schülerschaft lange Zeit in der Schweiz nicht untersucht. Dabei geht es um Fragen allfälliger selektiver Nutzung der Angebote und allfälliger Kompositionseffekte hinsichtlich der Entwicklung der Schülerinnen und Schüler. Auch zur Qualität der Angebote offener Tagesschulen, wie sie momentan verbreitet aufgebaut werden, gibt es erst vereinzelte Befunde für die Schweiz. In verschiedenen aktuellen Studien im deutschsprachigen Raum zeigte sich jedoch, dass nicht ausschließlich die Schulform ausschlaggebend, sondern die pädagogische Qualität der Angebote (mit)entscheidend ist. So geht als Forschungsdesiderat verschiedener Studien hervor, dass die pädagogische Qualität differenzierter untersucht und bei Wirkanalysen mitberücksichtigt werden muss. An diesen Lücken der bisherigen Forschung setzte das geplante Forschungsvorhaben an, welches Fragestellungen in den folgenden Themenbereichen bearbeiten sollte: (Teil 1) Welche Schülerschaft nutzt die Angebote einer offenen Tagesschule?, (Teil 2) Wie entwickeln sich Schülerinnen und Schüler im 1. und 2. Primarschuljahr – im Besonderen Risikokinder in der offenen Tagesschule? sowie (Teil 3) welchen Einfluss hat die pädagogische Qualität der Angebote der offenen Tagesschule auf die Entwicklung der Kinder und im Besonderen von Risikokindern? Es wurde eine Längsschnittstudie über zwei Schuljahre bei Kindern der ersten und zweiten Klasse durchgeführt. Im Zentrum stand dabei die Untersuchung von Schülerinnen und Schülern aus Primarschulen mit einem offenen (freiwilligem) Tagesschulangebot (je nach Kanton oder Gemeinde wurde dies auch anders genannt). Im Sinne eines Quasi-Experiments bildeten die Kinder aus den Klassen mit Tagesschulbesuch die Experimentalgruppe und die Kinder aus den Klassen ohne Tagesschulbesuch die Kontrollgruppe. Durch das dreimalige Testen der Schülerinnen und Schüler konnten die Entwicklungen zwischen den Kindern der Experimentalgruppe mit der Kontrollgruppe verglichen werden. Um mögliche weitere Einflüsse zu kontrollieren (wie z.B. strukturelle Merkmale der Schule, der familiäre Hintergrund oder die pädagogische Qualität der Tagesschulangebote), wurden Erhebungen bei den Eltern, beim Leitungspersonal sowie in den Tagesschulangeboten durchgeführt. An der Untersuchung nahmen während zweier Schuljahre rund 2.000 Primarschülerinnen und -schüler aus 1. Primarschulklassen (und deren Eltern) teil (Schuljahr 2013/14). Die Schülerinnen und Schüler besuchten 120 Schulklassen von 53 Schulen mit Tagesschulangebot aus 13 Deutschschweizer Kantonen. Zudem waren rund 140 Klassenlehrpersonen, 53 Schulleitungen und 53 Tagesschulleitungen an der Untersuchung beteiligt. Dieselben Schülerinnen und Schüler nahmen auch im Schuljahr 2014/15 in der 2. Primarschulklasse an der Untersuchung teil. Die umfangreichen selbst erhobenen statistischen Daten wurden durch die Statistiksoftware SPSS und Mplus analysiert. Letztgenanntes Statistikprogramm eignet sich insbesondere zur Berechnung von Mehrebenenmodellen (ML) komplexer Stichproben, Strukturgleichungsmodellen (SEM) und von latenten Wachstumskurvenmodellen (LGCM).